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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 98/01
Rechtsgebiete: BGB, StGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
StGB § 266
WEG § 44
Der allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer einer eine Wohnanlage verwaltenden GmbH macht sich der Untreue schuldig, wenn er die ihm persönlich und der GmbH auferlegten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten Verfahrenskosten aus dem Konto der Wohnungseigentümer entnimmt.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 19. September 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Schadensersatzes,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 10. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3339 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage. Der Antragsgegner H. war der allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer der B. GmbH; diese war Verwalterin der Anlage. Beide waren zugleich auch Wohnungs- bzw. Teileigentümer.

Die Wohnungseigentümerin W. beantragte im Jahr 1994, mehrere Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Antragsgegner waren in dem damaligen gerichtlichen Verfahren H., die B. GmbH und die beiden restlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümer der Anlage. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 14.10.1994 wurden der Antrag auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse abgewiesen; die Gerichtskosten wurden der Antragstellerin, auferlegt, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wurde abgesehen. Das Landgericht hob am 7.6.1995 den Beschluss des Amtsgerichts auf und stellte fest, dass die Eigentümerbeschlüsse nichtig sind. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens wurden H. und der B. GmbH als Gesamtschuldner auferlegt. Der Senat änderte mit Beschluss vom 7.12.1995 (BayObLGZ 1995, 407) den Beschluss des Landgerichts ab; es wurde bestimmt, dass von den Gerichtskosten des ersten Rechtszugs die Antragstellerin 1/3, von denen des zweiten und dritten Rechtszugs jeweils 116 zu tragen hat. Die übrigen Gerichtskosten wurden samtverbindlich H. und der B. GmbH auferlegt. Außerdem wurde festgelegt, dass H. und die B. GmbH der Antragstellerin als Gesamtschuldner 2/3 der ihr in allen Rechtszügen erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben. H. und die B. GmbH wurden in dem gerichtlichen Verfahren durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. F. und Kollegen vertreten. Am 30.12.1994 stellten sie der B. GmbH 2.979,31 DM in Rechnung. Die Landesjustizkasse erstellte am 10.7.1995 eine Kostenrechnung über 360 DM und richtete sie an die B. GmbH als Kostenschuldnerin. Der Antragsgegner beglich beide Rechnungsbeträge, indem er sie vom Konto der Wohnungs- und Teileigentümer überwies.

Die Antragsteller sind der Auffassung, der Antragsgegner sei zum Schadensersatz verpflichtet, weil er und die B. GmbH und nicht die Wohnungs-/Teileigentümer Schuldner der beiden Rechnungen gewesen seien; das Vorgehen des Antragsgegners sei als Untreue zu werten.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragsteller 3339,31 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2.12.1999 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat am 10.5.2001 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt:

Der Antragsgegner sei nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Antragsgegner habe zumindest bedingt vorsätzlich die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis missbraucht, über fremdes Vermögen zu verfügen und dadurch den Antragstellern einen Nachteil in der geltend gemachten Höhe zugefügt. Der Antragsgegner habe gewusst, dass die beauftragten Rechtsanwälte nur in seinem und in dem Namen der B. GmbH aufgetreten seien. Deutlich habe sich dies aus dem Rubrum des Beschlusses des Amtsgerichts vom 14.10.1994 ergeben. Auch die Rechnungen seien allein an die B. GmbH gerichtet gewesen. Hinzu komme, dass die Kostennote der Rechtsanwälte nur von zwei Auftraggebern ausgehe, weil der Erhöhungsbetrag nach § 6 BRAGO nur einmal in Rechnung gestellt werde. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Antragsgegner gewusst habe, ohne einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer nicht befugt zu sein, einen Rechtsstreit in deren Namen zu führen. Schließlich habe der Antragsgegner den gerichtlichen Erkenntnissen in dem den Kostenrechnungen zugrundeliegenden Verfahren entnommen, dass nicht die Wohnungseigentümer, sondern er selbst und die von ihm vertretene B. GmbH Kostenschuldner sind.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Senat prüft gemäß § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob die Sache durch das Prozessgericht oder im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist. Diese Bestimmung gilt zwar nicht, wenn trotz Rüge entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab entschieden wurde (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 912). Eine solche Rüge wurde hier aber nicht erhoben.

b) Eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren vor der vollbesetzten Kammer war entbehrlich, weil die Beteiligten hierauf konkludent verzichtet haben. Die mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer dient der Sachaufklärung und der gütlichen Einigung (vgl. Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 44 WEG Rn. 1 m.w.N.). Hier war der Versuch einer gütlichen Einigung in dem vom beauftragten Richter bestimmten Sühnetermin gescheitert; auch haben die Beteiligten in diesem Termin erklärt, dass "aus ihrer Sicht weitere Beweisaufnahmen, insbesondere Zeugeneinvernahmen, nicht erforderlich seien".

c) Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsgegner zum Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe verpflichtet ist, weil er sich einer Untreue zum Nachteil der Wohnungseigentümer schuldig gemacht hat.

(1) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet Dritten gegenüber nach § 823 Abs. 2 BGB, wenn er ein Schutzgesetz verletzt (Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 17. Aufl. § 43 Rn. 61). Ein solches Schutzgesetz ist § 266 StGB (Untreue).

(2) Die Bestimmung des § 266 StGB setzt das vorliegen eines Treueverhältnisses voraus. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 WEG ist der Verwalter verpflichtet, gemeinschaftliche Gelder der Wohnungseigentümer zu verwalten und von seinem Vermögen gesondert zu halten. Derjenige, dem hier diese Treuepflicht oblag, war der Antragsgegner, weil er das vertretungsberechtigte Organ (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) der B. GmbH war (vgl. BGHSt 41, 224/226 ff.).

(3) Der Antragsgegner hat den Mißbrauchstatbestand objektiv verletzt, indem er vom Konto der Wohnungseigentümer die von ihm und der B. GmbH geschuldeten Beträge überwiesen hat. Er hat den Wohnungseigentümern dadurch einen Nachteil zugefügt.

Nach dem Senatsbeschluss vom 7.12.1995 waren der Antragsgegner und die B. GmbH Kostenschuldner, nicht aber die Wohnungseigentümer. Der Antragsgegner durfte somit nicht die Wohnungseigentümer mit den ihm und der Verwalterin auferlegten Verfahrenskosten belasten. Der Antragsgegner und die Verwalterin hatten auch keinen Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Freistellung von Verfahrenskosten gemäß §§ 675, 670 BGB. In dem Senatsbeschluss kommt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts klar zum Ausdruck, dass der Antragsgegner und die B. GmbH wegen eines eigenen Verschuldens zur Kostentragung herangezogen wurden. Dass in einem solchen Fall der Verwalter und dessen gesetzlicher Vertreter zur Kostentragung verpflichtet werden, entspricht im übrigen allgemeiner Meinung (vgl. Staudinger/Wenzel WEG § 47 Rn. 27).

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Überweisung der Beträge von ihrem Konto auch nicht genehmigt. Das Amtsgericht Landshut hat in seinem Urteil vom 13.11.1998 im Verfahren 1 C 960/98 des Rechtsanwalts Prof. Dr. F. gegen die Wohnungseigentümer im einzelnen ausgeführt, dass in der Eigentümerversammlung vom 8.5.1992 kein entsprechender Beschluss gefasst worden ist. Abgesehen davon kann die Eigentümerversammlung vom 8.5.1992 das den Rechnungen zugrundeliegende gerichtliche Verfahren überhaupt nicht betreffen, weil dieses erst im Jahr 1994 eingeleitet worden ist.

Der Antragsgegner kann sich mit Erfolg auch nicht auf das Schreiben der B. GmbH vom 4.4.1996 an die Rechtsanwälte Prof. Dr. F. und Kollegen berufen. Dieses Schreiben steht in keinem Bezug zu dem gerichtlichen Verfahren, um dessen Kostenrechnungen es hier geht. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus der Erklärung, mit der Beendigung des Verfahrens durch Vergleich einverstanden zu sein, die Berechtigung der B. GmbH ergeben soll, eine eigene Schuld durch Überweisung des Rechnungsbetrages vom Konto der Wohnungseigentümer zu begleichen.

(4) Das Landgericht hat im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es den Vorsatz des Antragsgegners als erwiesen ansieht. Die Würdigung des Landgerichts liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht. Dies ist nicht der Fall.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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